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Sagen

Die Erdbiberli im Cheistel

Der Heuberg, das Wahrzeichen von Kaisten, senkt sich gegen das Dorf und läuft in einen niedrigen Hügel aus, den Fasnachtsberg, wie ihn der Einheimische nennt.

Einst leuchteten dort an der alten Fasnacht die Feuer bis über den Rhein hinüber. Am Südhang angelehnt liegt die Kirche, die St. Michael geweiht ist. Das Zwischenstück zwischen Fasnachtsberg und Heuberg trägt den Namen Cheistel. Das Gebiet wurde auch etwa "im Aepipperli" genannt. Vor langen Jahren wurden dort auch Kalkhöhlen gefunden, die aber seither eingestürzt sind. Dort wohnten einst die Zwerge, die Erdbiberli. Sie waren kaum grösser als Küken und watschelten im Gehen lustig durcheinander wie Bibeli. In langen Hemdchen kamen sie abends, besonders im Winter, gern zur Stubete und halfen Flachs spinnen und reiten. Im Sommer waren sie willkommene Helfer bei den mannigfaltigen Feldarbeiten. Wunder nahm die Leute nur, warum sie stets ihre Füsse so scheu verhüllten, und ein Neugieriger streute ihnen einmal Asche auf den Fussboden. Was man nachher sah, war merkwürdig genug. Wie zierliche Ornamente erblickte man auf dem Boden die Abdrücke von kleinen Gänsefüssen. Ein gröhlendes Gelächter brach aus, als die Entdeckung gemacht wurde. Beschämt und jammernd watschelten die Bibeli dem Cheistel zu. Seither hat man sie nie wieder gesehen. Sie haben sich ins Innere des Berges zurückgezogen. Vor Zeiten fanden hier etwa zwei Knaben im Gemäuer Scherben mit spinnenartigen Verzierungen. Man glaubt, diese stammen von den Erdbiberli.


Das Kloster der Erdbiberli

Vom Dorf Frick an über den Kaisterberg und von der Chinzhalde bis zur Stadt Laufenburg haben in den Höhlen des Juras und in den Felslöchern des Rheinufers Erdmännchen gehaust. Da schwärmten und schwirrten sie in der Wildnis herum wie Feld- und Perlhühner, und wie diese in der Kindersprache Bibeli heissen, so nannte man die Zwerge Erdbiberli. Wenn sie aber unter die Leute gehen wollten, so legten die ihre Vogelgestalt vorher ab, sonst hätten sie nicht in Haus und Feld so gewandt mitwirtschaften können, wie sie es im Dorfe Oeschgen taten oder beim Bauern auf der Chinzhalde, dem sie jährlich beim Kornschnitt halfen. Er liess ihnen dann zum Lohn für ihre Dienstfertigkeit auf jedem Acker zwei Garben stechen. Daraus buken sie Pfefferkuchen, braun, hart und vollgetupft mit kleinen Löchlein, und noch jetzt nennt man diese nach dem Namen ihrer Erfinder Biberzelten. Das berühmteste Backwerk machten diejenigen, welche zunächst der Stadt Laufenburg in einer Höhle wohnten. Hier hatten sie ihr Waldkloster, und darin ging es denn auch genau nach Mönchsregel her. Während die einen beten mussten und den Kirchendienst versahen, besorgten die andern die Küche. Vom Nachbarort Kaisten aus konnte man ihrem Treiben manchmal zusehen. Die einen hielten eine Feldprozession ab und schritten dabei in Messgewändern einher, die ihnen bis auf die Füsse reichten. Andere, die indessen die Haushaltung führten, hatten weisse Zipfelkappen aufgesetzt, und über die weisse Schürze trugen sie einen Brustriemen geschnallt, der von hölzernen Milchkellen klapperte. Aber die Neugierde der Leute liess sie nicht in Ruhe. Es wurde ihnen einmal Asche auf den Weg gestreut. Denn so hoffte man zu erfahren, was es mit dem Gerede vom absonderlichen Gehwerk der Erdmännchen auf sich habe. Nicht ohne Grund mochten sie ihre scharlachroten Mäntelchen immer am Boden nachschleppen. Was man fand, war wunderlich genug: Enten- und Ziegenfüsse waren in der Asche abgedrückt. Wie lachten da die guten Fricktaler! Nun war ihre Wissbegier gestillt, aber die Erdbiberli liessen sich von der Stund an nicht wieder blicken. Tief in den Felsenrissen der Juraberge sollen sie sich verkrochen haben. Später hat man bei der Höhle Nachgrabungen gemacht und ist allerdings auf Spuren einer unterirdischen Küche und auf vielfache Trümmer von Kochgeräten gestossen. Sogar ein steinernes Salzfass soll ein Arbeiter herausgeschaufelt haben. Allein sagt man, es habe sich zugleich ein so heftiges Klingeln dabei vernehmen lassen, dass die Leute um keinen Preis weiter beim Graben bleiben wollten. Nachher aber war die Höhle nicht mehr zu finden und ist wohl zusammengestürzt.


Wasserjungfern am Kaisterbach

"Die alte Strasse" wurde früher ein Flurweg genannt, der sich etwa zweihundert Meter südlich der heutigen Bahnlinie hinzog. Flurname und Weg sind heute verschwunden. Nur gegen den Kaisterbach führt an dieser Stelle noch ein Fahrweg durch einen tiefen Einschnitt und verliert sich unten in den Wiesen. Durch dieses Tobel führte noch anfangs des letzten Jahrhunderts die Rheintalstrasse nach Laufenburg. Zur Bewässerung der Wiesen, die am Hange gegen den Bach liegen, bestand noch in den neunziger Jahren ein Wassergraben, der südlich, in der Nähe des Dorfes, den Bach anschnitt und in einem System von Känneln endete, welche an dieser Stelle auf drei Meter hohen Jochen über den Einschnitt geführt wurden. Hier hausten die Wasserjungfern, weibliche Wesen mit langen flächsernen Haaren und flatternden, durchscheinenden Gewändern. Wer ihnen in der Dunkelheit begegnete, den verfolgten sie und griffen mit langen Krallenfingern nach ihm. Vor Jahren spielten einst Knaben an einem Sommersonntag in der Dämmerung in jener Gegend. Einer erstieg schliesslich kühn den Kännel und ging darauf Schritt für Schritt vorwärts. Auf einmal gellte ein furchtbarer Schrei durch die Stille: "Die Wasserjungfern!" Der Knabe wollte, ausser sich vor Schrecken, fliehen, aber er glitschte aus und stürzte etwa drei Meter tief zu Boden, wo er mit gebrochenem Genick liegen blieb. Die Wasserjungfern hatten ihn geholt.


Kindlibrunnen auf dem Homberg

Verborgen im geheimnisvollen Waldesdunkel sprudelt auf dem Homberg bei Kaisten eine Quelle. Sie führt milchweisses Wasser, als Nahrungsquelle für die kleinen, noch nicht erwachten Kinderseelen, die dort noch im Herzen der Erde schlummern und deren Wimmern man zuzeiten vernehmen kann. Bei dieser Quelle liegen grosse Schätze vergraben. Schon manchen wandelte die Lust an, sie zu heben, aber noch keinem ist es gelungen. So ging auch einmal ein Bursche in der hl. Weihnachtszeit gegen Mitternacht auf den Homberg und wartete auf den Schatz, der aus der Tiefe der Quelle aufsteigen sollte. Wie im entfernten Dorf die Kirchenuhr zu schlagen anfing, wurde es im Gehölz lebendig. Hunde durchstreiften bellend die Büsche, Hörner gellten, und grün gekleidete Jäger erschienen bei der Quelle, umringten sie und fragten den Burschen, ob hier nicht jemand vorübergegangen sei. Dieser schwieg, denn er wusste, dass der geringste Laut seine Hoffnung zerstören würde. Endlich aber wandelte ihn doch eine unbeschreiblich Angst an, und er war froh, als zufällig eine Lücke im Ring entstand und er hinausschlüpfen und entfliehen konnte.


Das Bachpflätscherli

Im Kaister Dorfbach hält sich das sogenannte Bachpflätscherli auf, ein Hündchen mit feurigen Augen. Einst sah es ein Bürger von Kaisten, als er nachts über die Dorfbrücke ging, und lockte es, jedoch umsonst. Wie er aber zu seinem Hause kam, vor welchem ein Brunnen sprudelte, stand da ein grosser schwarzer Mann und wusch seine Hände. Der Bauer aber hatte keine Lust ihn anzureden, sondern ging still und ruhig vorbei, und war froh als er die Haustüre hinter sich geschlossen hatte.


Der Goldwanner im Hardwalde

Wenn man am Karfreitag mit einem unschuldigen Kinde durch Feld und Gebirge hinwandelt, und es liegt irgendwo ein goldener Schatz verborgen, so entdeckt ihn das Unschuldsauge des Kindes. Ein blutarmer Mann aus Kaisten ging einst mit seinem achtjährigen Knaben in den Hardwald, um dürres Holz zu sammeln. "Such dir da eine rechte Bürde zusammen", sagte der Vater, dem Knaben die Wange streichelnd, "ich will inzwischen in der Nähe dürre Äste von Tannen brechen. Die Mutter wird sich freuen, wenn ich ihr dann deinen Haufen zeige." Der Vater ging. Während der Kleine nun nach dürren Reisern suchte, stand plötzlich ein fremder Mann vor ihm, der eine Wanne hatte und blankes Gold darin wannte. Der Knabe schaute verwundert zu und meinte, es wären Räppli wie am Rosenkranz der Mutter, und hob so viele auf, wie dem fremden Mann Spreu und taube Ähren aus seiner Wanne auf die Erde fielen. Die nahm er in sein Röcklein und eilte dem Vater zu. Wie der die schimmernden Goldstücke erblickte und hörte, was der Knabe gesehen hat, sagt er: "Geh, hol noch mehr, ich will auch mit dir kommen." Sie suchten vergebens, der Goldwanner war nirgends mehr zu finden.


Der Chinzhaldenjoggeli

Auf der linken Rheinseite, unterhalb des Hardwaldes, dehnt sich eine Ebene aus, das Sisslerfeld. Dieses wird überragt von einer zerklüfteten Bergkuppe, dem Chinz, das gegen Kaisten hin in die Kinzhalde ausläuft. Dort treibt ein böser Geist sein Unwesen, der in alten Zeiten nächtlicher Wanderer in Angst und Schrecken versetzte: Auf einmal ertönt aus unbestimmter Ferne ein Ruf: "Huhu!" Dann näher, vom Kinzkopf her: "Huhu-huhuu!", immer näher, und auf einmal beginnt ein Rauschen im Geäst der Waldbäume, als ob ein Orkan über sie hinbrause, und doch bleiben die Äste ruhig wie bei der grössten Windstille. Und nun - den späten Wanderer ergreift geheimer Schauer - gerade über ihm, im Geäst der Wettertanne, ertönt der schauerliche Ruf: "Huhu!" und darauf folgt ein gellendes Gelächter. Er schreit auf, die Haare sträuben sich auf seinem Kopfe, und sinnlos stürmt er davon, ohne Weg, ohne Ziel, nur die grauenhafte Angst im Herzen. Hinter ihm ertönt immer wieder der schreckliche Ruf. Er rennt durch Dick und Dünn, durch Gestrüpp, Dornen, Sumpf, stolpert über Gräben, immer hinter ihm das höhnische Gelächter. So wird er die ganze Nacht gejagt, und erst, wenn von Kaisten her das Bettzeitglöcklein den Tag verkündet, verschwindet der unheimliche Spuk. Das ist der Chinzhaldenjoggeli. In Kaisten, Sisseln und Eiken weiss man genug von ihm zu erzählen. Nach der Sage ist es die büsende Seele eines Bauern aus Kaisten namens Winter, und es gibt noch Leute, die sein Haus genau kennen wollen. Er war früher ein reicher Bauer; vier Steinhäuser in der Gemeinde gehörten ihm. Aber dennoch hatte er nicht genug. Er pflügte den Nachbarn die Grenzfurchen weg und mähte im Heuet über die Grenze seiner Wiesen, und in der Ernte stahl er die aufgeschoberten Zehntgarben. Er war auch ein arger Schnapstrinker, ein Flucher und Schwörer. Sonntags dengelte er seine Sensen, während andere Leute zur Kirche gingen, oder er fuhr mit dem Wagen aufs Feld. Trotz seines liederlichen Lebens wusste er sich dennoch bei der Obrigkeit einzuschmeicheln, so dass er von dieser als Untervogt über Eiken gesetzt wurde. Als solcher missbrauchte er seine Gewalt auf das Unbarmherzigste. Junge Leute, deren Äcker ihm in die Augen stachen, übergab er den Werbern, und diese wussten sie schon in die hintersten Winkel bis in die Türkei hinein zu schieben, so dass sie ihrer Lebtag das Fricktal und den grünen Rhein nicht mehr sahen. Ältere Leute, die er nicht verhandeln konnte, behexte er so, dass sie irrsinnig wurden und ins Wasser sprangen, dann wurde der Vogt Verwalter ihrer Hinterlassenschaft. So hatte er einmal während einer Hungersnot einen Familienvater an die Werber verhandelt. Der arme Mann wusste in der Verzweiflung für sich und die Seinigen keinen Rat mehr und beging eine schreckliche Tat. Er stürzte sich mit seinen Kindern in eine tiefe Schlucht der Chinzhalde, die Teufelsküche. Seither begegnet man an den Klüften der Halde oft einem schwarzgekleideten, ausgemergelten Manne, der ein zum Gerippe abgemagertes Kind dort aus den Armen legt und dann laut heulend sich die Brust zerschlägt und die Haare ausrauft. Der Vogt war auch ein leidenschaftlicher Jäger und wusste durch Zaubermittel das Wild im Forst fest zu bannen. Einmal sah er im Weinberg gegen Eiken einen dreibeinigen Hasen in der Sasse und schoss nach ihm. Aber an diesem unscheinbaren Tiere musste der gewalttätige Mann zugrunde gehen: der Hase war nämlich der Leibhaftige selber, und die Kugel fuhr auf den Schützen zurück, der darob auf der Stelle tot war. Als man nach einigen Tagen den Leichnam fand, war er braunschwarz geworden, und auch das Waldlaub, auf dem er lag, hatte sich geschwärzt zum Zeichen, dass ihn der geholt, dessen Farbe er trug. Als man ihn hierauf zum Grabe trug, brachten ihn ihrer Sechse kaum von der Stelle, doch wie man sich keuchend der Kirche näherte, wurde der Sarg zusehends leichter. Vor dem Portalk wartete der damalige Pfarrer Rothenburger mit den Ministranten. Dieser befahl, mit dem lauten Gebet aufzuhören und den Sarg noch einmal zu öffnen. Man fand ihn leer, und doch hatte die ganze Gemeinde noch vor einer Stunde gesehen, wie der Vogt brandschwarz darin gelegen hatte. Als seine alte Mutter vom Kirchhof nach Hause zurückkam, rief er ihr schon vom Rauchfang übers Dach herunter zu und überschüttete sie mit Spottreden. Von nun an hatte man im Dorf Kaisten keine Ruhe mehr. Oft am hellichten Tage guckte der verstorbene Vogt aus den Fenstern seines Hauses und nickte den Vorübergehenden höhnisch zu. Nachts rasselte es auf den Stiegen, wie wenn zentnerschwere Ketten auf und ab geschleppt würden, oder lautes Pochen auf dem Estrich erschreckte die Bewohner. In den Ställen fand man am Morgen das Vieh mit geflochtenen Schwänzen, oder zwei Tiere in einem Stoss, erhängt vor. Schliesslich wandten sich die Bewohner an das Kapuzinerkloster in Laufenburg und baten um Hilfe. Die Mönche erschienen, bannten nach langem Kampfe das Gespenst in eine Branntweinflasche und führten diese auf einem zweispännigen Wagen hinaus auf die Kinzhalde. Dort, an der Grenze der Grafschaft Laufenburg, bei der breiten Eich, lag früher noch ein winziges Seelein ohne sichtbaren Abfluss, dessen Grund pechschwarz heraufleuchtete. Hier wollte man die Flasche versenken. Je näher man dem Ziele kam, desto schwerer wurde der Wagen. Man musste Vorspann holen, und schliesslich zogen sechzehn Rosse keuchend das Fuhrwerk zur Stelle. Wie man nun die Flasche versenken wollte, flog der Zapfen mit lautem Knall heraus, und hinter ihm nach sauste der Geist wie ein Sturmwind zurück ins Dorf, und nun war alles ärger als vorher. Jetzt mussten die Kapuziner den Störenfried zum zweiten Mal bannen. Es gelang ihnen erst, als sie ihm das Zugeständnis gemacht hatten, er dürfe sich alle Jahre dem Dorfe wieder um einen Hahnenschritt nähern. Diesmal bannten sie ihn in einen kupfernen Kessel und versenkten diesen in der Tiefe der Teufelsküche. Dort hat er nun seine Wohnung. Seine Höhle soll mit Quadersteinen ausgefüttert sein. Wirft man einen Stein hinunter, so tönt es zurück wie aus einem hohlem Fass. Ein Hund, den man einst hinunterwarf, kam unten am Rhein wieder zum Vorschein. Wenn einst der Vogt Kaisten wieder erreicht haben wird, dann kann ihn keine Gewalt mehr daraus verbannen. Inzwischen haust und lärmt er nun in den weiten Waldungen des Hards. Er kann sich unheimlich schnell von einem Ort zum andern bewegen. Meist erscheint er in Jägerstracht, mit einem grünen Hütchen und der Flinte auf dem Rücken und ruft sein fortwährendes "Huhu!" Besonders den Fuhrleuten und Holzfrevlern ist er aufsässig. Er tritt brüllend, einen gewaltigen Prügel in der Hand, unversehens vor sie hin und schleicht hinterlistig den Fuhrwerken nach und zieht flink den Achsnagel heraus, damit der Wagen stürzt und die Ladung heraus fällt. Dann muss der Fuhrmann schweigend den Wagen wieder laden und dreimal umgehen. Wenn er aber nur ein einziges Mal flucht, so wiederholt der Joggeli augenblicklich seine Tücke. Nicht selten hockt er verspäteten Wanderern auf, und diese müssen ihn bis an die Waldgrenze tragen. So schleppte ihn einst ein Sissler über den Eiker Bach hinüber, und ein anderer sah ihn als Stock am Wege liegen und trug ihn heim. Als er am Morgen nach ihm sah, war er verschwunden. Ein dritter, den der Geist beim Holzfreveln überraschte, entsprang zwar in der Angst, besann sich aber bald wieder und kehrte um. Angesichts des wunderlichen Kerls mit den weiten Pluderhosen, dem engen Wams und dem grünen Hütchen meinte er trocken: "So, bisches numme du!" und holzte weiter. Am Rheinufer neckte der Joggeli besonders gern den Fährmann. Einst rief er in der Dämmerung: "Hol, hol!" und der Schiffer holte ihn wirklich ab, aber mitten im Rhein sprang er ihm aus dem Kahn und liess ein grosses Feuermeer zurück. Auch Betrunkene führte er gern in die Irre und jagte sie durch Wald und Feld. Einem Strassenknecht, der zwischen Sisseln und Eiken den Weg zu machen hatte und ein arger Schnapstrinker war, sass er einmal huckepack auf den Rücken und trieb ihn im ganzen Walde herum. Schliesslich konnte der Knecht entrinnen, aber beim entsetzlichen Toben des Unholds verlor er Hut und Stock und verfiel nachher in ein so schweres Siechtum, dass ihm alle Ärzte das Leben absprachen. Ein anderes Mal hatte ein Bauer in der Nähe des Waldes sein Ross auf die Weide getan und legte ihm abends Zaum und Zügel an, um es heimzureiten. Kaum war er aufgesessen, so wurde das Tier zusehends dicker und höher und schwoll schliesslich so gewaltig an, dass der Reiter kaum mehr auf den Boden herunter sehen konnte. Er sprang eiligst ab und entlief. Das Ross war der Haldenjoggeli, der seither auch in dieser Gestalt im weiten Walde haust.


Der Kobold im Hard

Eine breite Landstrasse führt von Laufenburg durch den weiten Hardwald nach Sisseln. Kaum ist sie in den Wald eingetreten, so überquert sie einen Graben, der in der Richtung Süd-Nord zur alten Murger Fähre hinunterführt, wo man vor Zeiten ins badische Dorf Murg übersetzen konnte. Der Fuhrmann, der spät mit seinem Fuhrwerk Laufenburg zustrebte, beeilte sich, noch vor Einbruch der Dunkelheit hier vorbeizukommen, denn gar oft wollten die Pferde nicht mehr von der Stelle, bis er in den drei höchsten Namen der Brosamen rückwärts über die Schulter warf. Auch der verspätete Wanderer hörte Schritte, und wenn er sich rückwärts wandte, war weit und breit niemand zu sehen. In der ganzen Umgebung hauste ein Kobold. Zur Nachtzeit im Quatember strebte einst ein Murger Müllerbursche auf einem Waldweg von Kaisten her der Fähre zu. Wie er bei der Brücke die Strasse kreuzte, sass ihm plötzlich etwas im Rücken und ritt und zwickte ihn. Als er zum Fährhäuschen herunter kam, war der Spuk plötzlich verschwunden, doch von einer Tanne herab schallte ein gellendes, höhnisches Gelächter. Der Knecht aber starb kurze Zeit darauf. Auch der Fährmann drüben im Dorf Murg wurde häufig genarrt. Oft vernahm er vom hohen Ufer herab den Ruf "Hol über" und hatte auch deutlich jemand herabsteigen sehen, doch wenn er herangerudert kam, war keine Seele zu erblicken, und nur von einer Tanne herab klang wiederum höhnisches Kichern.


Der Tüttigrabenhund

Vom Heuberg herunter zieht sich ein tief eingeschnittenes Tobel durch das Wiesengelände, der Tüttigraben. Gebüsch und Wald decken ihn geheimnisvoll zu, und in seiner Tiefe plätschert ein dünnes Wässerlein von Stein zu Stein; bei anhaltendem Regen kann aber daraus ein reissender Bergbach werden, der schon oft üble Verheerungen angerichtet hat. Aus diesen Klüften bricht zuzeiten ein fast mannshoher Hund hervor. Sein Fell ist tiefschwarz, und seine Augen glühen wie Kohle. Ihm voraus geht ein Rauschen wie das eines angeschwollenen Baches, oder wie wenn eine Herde Tiere durch dürres Laub rascheln würde. Sein Weg ist immer der gleiche, und nie weicht er davon ab; würde er verbaut, es gäbe Unglück. In Ober-Kaisten kommt er durch einen Schopf und folgt dann dem Bach bis Kaisten und trabt talabwärts bis zur fernen Möhliner Höhe. An einem mondhellen Sommerabend sassen einmal einige Nachbarn in Ober-Kaisten, gemütlich plaudernd und tubäkelnd, vor einem Hause beisammen. Auf einmal erhob sich, bei völliger Windstille, ein gewaltiges Rauschen, als ob der ganze Graben voll Wasser daherkäme. Kurze Zeit darauf erschien auch der Hund. Gemächlich trabte er mit eingezogenem Schwanz durch den benachbarten Schopf und hart an den vor Schrecken starren Leuten vorbei, und seine Augen gleissen unheimlich im Dunkeln. Auch zwei Burschen kroch es eiskalt den Rücken hinauf, als sie, vom Kiltgang heimkehrend, den Hund auf der Treppe vor dem Pfarrhaus sahen. Dort lag er lang ausgestreckt vor der Türe, und seine Augen funkelten böse. Wortlos bekreuzten sich die beiden und gingen vorüber, und es geschah ihnen weiter nichts. Spassen liess sich aber nicht mit dem Hund. Das erfuhr der alte Schneider Weiss von Ober-Kaisten. An einem kalten Wintertage war dieser auf der Stür im Dorf. Am Abend, vor dem Heimgehen, schenkte man ihm noch ein oder zwei Schnäpslein ein und kam im Laufe des Gespräches auch auf den Gespensterhund zu sprechen, von dem der Schneider allerlei zu erzählen wusste. Weiss, dem sein Schneidermut durch den wärmenden Schnaps gewaltig gestiegen war, behauptete, er werde dem Tier, wenn er ihm begegne, mit dem Ellstecken gewaltig über die Ohren hauen. Da es unterdessen spät geworden war, machte sich der Handwerksmann auf den Heimweg. Gemächlich schritt er seinem Weiler zu. Wie er aber zur Cheistelbrücke kam, vernahm er plötzlich ein Rauschen. Unser Schneider hatte die Geschichte schon wieder vergessen und glaubte nichts anderes, als der Bach bringe Hochwasser, und floh einige Schritte in den Acker hinauf. Doch wie aus dem Boden gewachsen, stand auf einmal der Hund neben ihm. Der Schneider erinnerte sich an seine Worte, nahm allen Mut zusammen und stiess dem Gespenst mit dem Ellstecken leicht in die Weichen. Ohne eine Miene zu verziehen, trabte dieser vorüber. Der Schneider aber war von der Stunde an stockheiser und vermochte seiner Lebtag kein lautes Wort mehr hervorzubringen. Auch in Menschengestalt soll sich das Gespenst schon gezeigt haben. Das erfuhr ein heute längst verstorbener Bauer, der im Heuet früh um drei Uhr in der Nähe des Grabens mähte. Wie er sich umsah, stand ein hoch gewachsener Mann in grauem Fäckenfrack, einen Dreispitz in der Stirne gedrückt, hinter ihm. Dieser schritt wortlos einer Heumahde nach und verschwand gegen den Graben, und nach einiger Zeit tönte von dorther das bekannte Rauschen wie beim grössten Gewitter.


Der Schwed im Kaisterfeld

Als im Dreissigjährigen Krieg der Schwede mit Ross und Wagen plötzlich vor Laufenburg auftauchte, flohen die Leute von Kaisten über alle Berge, versteckten sich in den Wäldern oder suchten Zuflucht im benachbarten Berner Aargau. In der Hast und Eile wurden in einem Hause zwei Kinder vergessen. Beim Plündern trat ein schwedischer Husar in die Stube, wo die Kleinen in ihren Bettchen lagen und friedlich schlummerten. Er erstach dieselben und warf die Wiege um. Dafür fiel er auf dem Rückritt über das Kaisterfeld vom Pferd und verendete auf der Stelle. Seither ist es in jener Gegend nicht geheuer. Wer nachts an der Kapelle vorbeigeht, hört hinter sich plötzlich schlurfende Schritte, und wenn er sich umsieht ist kein Mensch zu erblicken. Zu gewissen Zeiten aber soll beim "Roten Kreuz", am Dorfeingang, eine undeutliche Gestalt zu sehen sein, die sich bei näherem Hinsehen auflöst wie Nebel. Das ist der ruhelose schwedische Kindsmörder. Seine Seele muss hier büssen für seine ruchlose Tat.


Die Schwedenreiter am Kaisterbach

Bei der Mündung des Dorfbaches von Kaisten in den Rhein liegt eine ziemliche Landbreite frei und herrenlos, auf der man im Dreissigjährigen Kriege zehn schwedische Reiter hingerichtet hat, welche fälschlich des Verrates beschuldigt waren. Nachts um die dritte Stunde, wenn sich ihr Gerichtstag jährt, halten hier die Zehne einen Kreisritt, wobei sie mit den Säbeln wild um sich hauen. So müssen sie schon über zweihundert Jahre jede Nacht erscheinen, bis auch die Seele ihrer falschen Richter Ruhe gefunden haben. So erzählen alte Fischer aus Kaisten, die nachts in jener Gegend am Rhein der Fischweid obliegen; der Ort kommt ihnen unheimlich vor.